Auf den folgenden zehn Seiten geben wir Empfehlungen für Autoren von Publikationen aus der medizinischen Forschung. Besprochen werden nicht wissenschaftliche Methoden, sondern Gesichtspunkte der sprachlichen Präsentation. Diese Klarstellung ist auch deshalb nötig, weil unsere Denkanstöße selbstverständlich keinen Anspruch auf fachliche Autorität erheben. Wertungen auf dieser Ebene würden wir uns niemals anmaßen.
Vielmehr sind unsere Bemühungen so zu verstehen, wie es kürzlich ein Fernsehkoch für seine Tätigkeit sehr treffend ausgedrückt hat: Er fühle sich verpflichtet, seine praktischen Kenntnisse als Koch auch als Ernährungsberater einzubringen und auf diesem Weg einen Beitrag zur Ernährungswissenschaft zu leisten. Besser hätten wir unsere Motivation gar nicht beschreiben können, und genau vor diesem Hintergrund möchten wir unsere Beiträge verstanden wissen.
Wichtigste Zielgruppe dieses Ratgebers sind deutschsprachige Autoren, die klinische oder experimentelle Studien in englischer Sprache publizieren. Viele Punkte sind aber durchaus in einem breiteren Zusammenhang zu sehen. Eigenheiten des Deutschen werden genauso angesprochen wie Besonderheiten des Englischen, und viele Ausführungen betreffen nicht nur medizinische Texte.
Auf konkrete Beispiele zur Illustration der einzelnen Punkte wurde aus guten Gründen verzichtet. Ohnehin ist die Materie für einen Schnellkurs in Form von einschlägigen Tipps und Tricks denkbar ungeeignet. Vielmehr wollen wir den größeren Zusammenhang der sprachlichen Präsentation herausarbeiten. Ein Allheilmittel mit Sofortwirkung können wir nicht zur Verfügung stellen. Aber wir können Denkprozesse anregen, die langfristig wirken und einen bewussteren Umgang mit dem geschriebenen Wort fördern.
Im deutschsprachigen Raum existieren zwei vorherrschende Schienen der Sprachpflege, die wir um jeden Preis vermeiden möchten. Für den Fall, dass wir das eine oder andere Mal dennoch auf diese Abwege geraten sollten, bitten wir den Leser schon vorweg um Verzeihung, Die erste Schiene ist die Denkschule der sprachpflegerischen Kleingeister. Diese Mentalität hat eine große Tradition und ist trotz fortschreitender Weltoffenheit noch immer nicht ausgestorben.
Neueren Ursprungs und derzeit groß in Mode ist eine zweite Schiene der Sprachpflege, betrieben auf Comedy-Niveau. Leider gibt es auch in unserer Branche eine beklagenswerte Tendenz, bestehende Qualitätsprobleme an möglichst bizarren Fehlleistungen deutlich machen zu wollen. Dieser sprachpflegerische Ansatz krankt vor allem daran, dass sich zur humoristischen Komponente rasch abstoßende Elemente gesellen können und der didaktische Nutzen einem Effekt der Schadenfreude untergeordnet wird.
Tatsächlich bestehende Probleme werden durch die traditionelle Besserwisserei wie auch das moderne Komödientheater im Endeffekt bagatellisiert. Das wichtigste Problem im Umgang mit Sprache liegt nicht in sinnstörenden Rechtschreibfehlern oder sonstigen Fehlleistungen der abstruseren Art. Vielmehr liegt es in Defiziten der inhaltlich-sprachlichen Denkarbeit. Diese können durch Zeitmangel entstehen, aber auch durch Unterschätzung (oder Geringschätzung) von realen Anforderungen. Solche Defizite sind kennzeichnend für viele Gebrauchstexte, die wir im Alltag sehen. Die wachsende Zahl solcher Texte etabliert so etwas wie einen Substandard an Denkarbeit, den wir aber nicht als Maß der Dinge begreifen sollten.
Die folgenden Seiten sind ein Versuch, auf einer möglichst breiten Basis nützliche Grundsätze der Transparenz und Lesefreundlichkeit von medizinisch-wissenschaftlichen Publikationstexten zu erarbeiten. Gerade diese Qualitäten sollten die Verfasser solcher Texte zu jedem Zeitpunkt des Schreibens als vorrangiges Ziel betrachten. Unsere Anregungen können zur Beschleunigung von Rezensionsprozessen beitragen oder als Vorkehrung gegen Kommunikationsdefizite genutzt werden. Auch eine ganz naheliegende Motivation ist jedoch denkbar: Respekt vor dem Leser.
© 2009-07-14 Wilfried Preinfalk. Alle Rechte vorbehalten.