Die deutsche Sprache ist bekannt für ihre kreativen Möglichkeiten der erweiterten Wortbildung durch Aneinanderreihen von Wortstämmen. Die Produkte dieses Verfahrens heißen »Komposita«. Ähnliche Kunstgriffe sind auch im Englischen erlaubt; nur werden die Wörter dort nicht verschmolzen, sondern lose aneinandergereiht. Eher jedoch neigt das Englische zu analytischen Konstruktionen mit dem Partikel »of«. Deutschsprachige Autoren kennen dieses Prinzip aus dem Englischunterricht und beherzigen es entsprechend.
Erst in fortgeschritteneren Stadien der Spracherlernung merken wir (oder werden darauf hingewiesen), dass englische Wortelemente analog zum Deutschen aneinandergereiht werden können. Diese Erkenntnis ist zwar richtig, birgt aber sofort wieder ein Risiko von Übertreibungen. Realistisch betrachtet sind die Grenzen des guten Geschmacks auf beiden Seiten schnell erreicht, denn mehrgliedrige Of-Ketten werden im Englischen genauso unschön und intransparent wie ellenlange Pseudokomposita.
Auch im Deutschen sollten wir uns öfter fragen, welche Wörter diese Bezeichnung überhaupt noch verdienen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der Suche nach raffinierteren Konstruktionen, sondern im Bemühen um eine möglichst klare Aufschlüsselung der Inhalte. Probleme der übermäßigen Verdichtung von Substantiva lassen sich häufig durch einen kleinen Nebensatz oder kurzen Einschub beseitigen. Auch zwei kurze Sätze statt eines langen können helfen.
Auch für ihre aufgeblähten Sätze ist die deutsche Sprache bekannt. Das Problem dabei ist weniger die Satzlänge per se, zumal je nach Autor auch lange Sätze sehr übersichtlich sein können. Vielmehr geht es um die verwendeten Einschübe mit Länge, Frequenz und Ausmaß der Verschachtelung. Unter den Printmedien finden sich veritable Spezialisten für ellenlange Sätze, in denen ein Einschub den nächsten jagt. Solche Situationen entstehen insbesondere dadurch, dass in Redaktionen verschiedene Personen unter Zeitdruck an denselben Texten arbeiten. Am Ende steht ein kontinuierliches Gedränge an Kommas, Doppelpunkten, Semikolons, Binde- und Gedankenstrichen sowie diversen Klammerspezies.
Die Ursachen sind verständlich: Bei redaktioneller Arbeitsteilung bieten sich Einschübe deshalb an, weil sie Ergänzungen am Text auch ohne aufwendige Änderungen am Satzgefüge ermöglichen. So gesehen sind sie eher als funktionale Notlösung denn als legitimes Stilmittel zu verstehen. Als Stilmittel taugen sie allenfalls in kleinen Dosen. Auch bewusste Spezialeffekte mancher Literaten sollten über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. Dass Vorbildwirkungen aus Medien und Literatur immer einen gewissen Nachahmungstrieb wecken, ist verständlich. Wichtiger muss uns aber die Erkenntnis sein, dass gut formulierte Fachtexte keinen Schilderwald zur Navigation benötigen.
Besondere Zurückhaltung ist bei Arbeiten in englischer Sprache geboten. Erstes ist dort die Einschubfrequenz primär geringer, und zweitens verschärfen zahlreiche Einschübe die ohnehin vorhandenen Defizite in der Verständlichkeit von deutschsprachigen Autoren noch zusätzlich. Gesellen sich hierzu noch halb verstandene Konventionen der Zeichensetzung, wird das Dickicht rasch undurchdringlich.
Unser Tipp: Schreiben Sie durchaus längere Sätze, wenn diese Ihrem Gedankenfluss besser entsprechen. Bleiben Sie aber möglichst geradlinig. Relevante Teilaussagen, die partout nicht ins Gefüge passen wollen, rechtfertigen häufig einen eigenen Satz. Wirklich notwendige Einschübe sollten nach Möglichkeit kurz und prägnant gehalten werden. Die Aussagen werden hierzu auf ein vernünftiges Mindestmaß verdichtet und an gut überlegter Stelle platziert.
Klammern sind transparentere Einschubträger als Gedankenstriche. Erstens markieren sie Anfang und Ende, zweitens fällt die vertikale Barriere spontaner ins Auge. Dennoch sollten auch wissenschaftliche Texte ohne Klammerinflation auskommen. Besonders fragwürdig sind Klammern in Klammern (also eckige oder gar geschwungene Klammern als Untermenge von runden Klammern). Die Erfahrung zeigt, dass die meisten dieser Inhalte gut auf einzelne Klammersätze reduziert werden können, wenn man nur die erste Einschubordnung gezielt in den Fließtext zurückbaut.
Literaturzitate sollten in der Bearbeitungsphase besser durch eckige als runde Klammern markiert werden. Dies schafft Übersicht und ist ergonomischer, weil es sich bei Bedarf im Handumdrehen ändern lässt. Lange Referenzeinschübe sind nach Möglichkeit zu vermeiden, weil sie unübersichtliche Diskontinuitäten im Fließtext schaffen. Aus dem gleichen Grund bevorzugen wir im Rahmen unserer Arbeit stets Zitierformen mit am Satzende gesammelten (statt nach Aussagen gestreuten) Verweisen.
Sollten die jeweiligen Autorenrichtlinien eine solche Arbeitsweise nicht zulassen, braucht man die entsprechenden Anpassungen nicht sofort vorzunehmen. Die Einzelheiten des geforderten »Journal Style« brauchen beim Schreiben noch nicht berücksichtigt zu werden. Vorrang vor diesen formalen Überlegungen hat ein möglichst aufgeräumtes visuelles Umfeld ohne Diskontinuitäten im Satzgefüge.
Absätze. Wir streben immer nach einem gewissen Ausgleich in der Länge von Absätzen. Zusammenhängende Gedankengänge lassen sich nur bedingt über die Absatzlänge gegen isolierte Gedankengänge abgrenzen. Besser geeignet sind offene Zwischenüberschriften, wie sie in medizinischen Zeitschriften (und zur Illustration gerade hier) verwendet werden. Diese markieren nicht eine hierarchische Gliederungsebene, sondern dienen lediglich als Hinweis auf den Inhalt einer kurzen Textpassage aus einem oder wenigen Absätzen. Dies schafft Übersicht und erleichtert das Wiederauffinden von Passagen. Mit solchen Zwischenüberschriften können Sie auch längere Absätze wieder in verdauliche Happen aufgliedern. Meist geht der Zusammenhang dadurch keineswegs verloren, sondern ist danach besser gewahrt als zuvor.
Hervorhebungen. Im Umgang mit Hervorhebungen ist Geiz die höchste aller Tugenden. Je sparsamer wir hervorheben, umso stärker bringen wir Wesentliches zur Geltung. Viele Hervorhebungen wirken beliebig. Sie sind ebenso wenig einprägsam wie die Leuchtstiftexzesse mancher Studenten, und im Extremfall kann sich beim Leser sogar ein Gefühl der Bevormundung einstellen. Dezente Hilfsmittel zum Hervorheben werden stets besser aufgenommen als aufdringliche Gestaltungselemente. Da so mancher grazilen Schriftart bei Fettdruck die Anmut aus dem Gesicht fällt, arbeiten wir im Zweifelsfall lieber mit abweichenden Schriftarten oder simplen Unterstreichungen.
Überschriften. Gute Überschriften sind wie eine Einladungskarte zum Lesen. Sie sollten durch analoge Konstruktionen zueinander passend aufgebaut sein und mit möglichst wenig Worten möglichst viel aussagen. Auch im Umgang mit Unterschriftenebenen ist Geiz eine hohe Tugend. Jedes überlegte Wegrationalisieren von Gliederungsebenen führt beinahe zwangsläufig zu besseren Einfällen. Ein fünfseitiges Manuskript mit drei großen Abschnitten benötigt selten eine Gliederungsebene mit der Bezeichnung 2.1.1.1.
Zeilenwechsel. Ein Relikt aus dem Zeitalter der Schreibmaschine ist die »neue Zeile«. Mit diesem Kompromiss sparte man früher Platz und Papier. Voraussetzung war natürlich immer schon, dass eine gewisser Abstand zum Ende der Zeile gewahrt blieb. Diese Logik hat im Zeitalter der computergestützten Textverarbeitung ausgedient, weil Texte jederzeit in jedem gewünschten Umfang nachbearbeitet werden können. Also wissen wir nie genau, an welcher horizontalen Position unsere Zeilen letztlich enden werden. Schon so mancher hehre Zeilenwechsel ging so für die Nachwelt verloren. Was bleibt, ist eine Geistermarke im Dokument und eine potenzielle Quelle für Ärger und Verdruss in der weiteren Bearbeitungskette.
Fazit. Einzelne Gliederungselemente verbessern die Übersicht immer nur bis zu einem gewissen Grad und werden darüber hinaus kontraproduktiv. Zumal wenn Texte mehrfach überarbeitet werden, kann es vorkommen, dass alte Gliederungselemente übernommen und durch immer neue ergänzt werden. Irgendwann präsentieren sich solche Texte als Gliederungsdschungel, die sich allenfalls noch mit der Machete kultivieren lassen.
Ergonomie. Unabhängig von der Frage, welche Gliederungselemente der fertige Text aufweisen sollte, sind beim Schreiben selbst nur zwei Faktoren von Bedeutung. Erstens sollten wir uns ein visuelles Umfeld schaffen, das uns behagt und unserer Arbeitsweise entgegenkommt. Nicht jede Vorliebe ist aber auch tatsächlich ergonomisch. Zahlreiche Autoren zeigen etwa eine Tendenz, beim Schreiben eine Annäherung an das gedruckte Resultat anzustreben. Bemühungen dieser Art betrachten wir eher skeptisch, da das Verfassen von Texten anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als das Publizieren. Ferner sollten wir im Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen laufend prüfen, welche unserer Vorlieben wirklich konstruktiv sind und welchen wir lediglich als »Gewohnheitstiere« anhängen.
Eindeutigkeit. Unterm Strich jedoch hat das visuelle Umfeld stets Vorrang vor anderen Überlegungen. Auch der Journal Style muss warten können, was aber wiederum nur unter der Voraussetzung funktioniert, dass einige wichtige Grundsätze der Textverarbeitung beachtet werden. Die Auswahl der Gestaltungselemente sollte so erfolgen, dass eine konsequente Handhabung möglich ist. Niemals sollten Elemente ohne guten Grund vermischt werden. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, besteht auch keine Notwendigkeit mehr, dass wir uns schon beim Verfassen eines Textes mit Formalien belasten, die wir erst zu seiner Fertigstellung benötigen. All dies gehört zum weiten Feld der nachrangigen Überlegungen, die rasch auf Kosten der Transparenz und Lesefreundlichkeit gehen können.
Literaturzitate. Ein gutes Beispiel zur Illustration ist der Umgang mit Literaturzitaten (auch wenn sich die angesprochenen Überlegungen bei Anwendung moderner Zusatzsoftware wie Endnote relativieren). Solange wir an Texten im Detail arbeiten, finden wir Hochstellungen unergonomisch und runde Klammern inkonsequent, weil wir diese im Text auch anderweitig benötigen. Für die Zitate verwenden wir daher eckige Klammern, die wir dafür auch möglichst exklusiv für diesen Zweck reservieren. Später können wir dann alle diese eckigen Klammern im Handumdrehen in jedes erdenkliche Format (z. B. Hochstellung) umwandeln. Umgekehrt wäre der Weg viel steiniger: Denn hätten wir die Zitate in nicht exklusiver Weise mit runden Klammern markiert, müssten wir zum Umformatieren systematisch alle runden Klammern im Manuskript durcharbeiten.
Hervorhebungen. Je konsequenter wir also arbeiten, umso effizienter bleiben die Möglichkeiten für uns selbst und andere Mitwirkende in der Bearbeitungskette. Wenn wir etwa beim Schreiben dezente Unterstreichungen bevorzugen, können wir diese jederzeit ohne Zeitaufwand in Fettdruck umwandeln. Wenn wir sie aber in Überschriften ebenfalls verwenden, müssen wir zum Umwandeln der Hervorhebungen alle Unterstreichungen im Text von Hand durchgehen und wieder aufgliedern. Operationen dieser Art können sich je nach Textvolumen zu einer zeitraubenden und mühsamen Angelegenheit summieren.
Blocksatz. Wer tatsächlich großen Wert auf einen geraden rechten Rand beim Schreiben legt, sollte diese Möglichkeit auch nutzen. Wir sind uns bewusst, dass viele Autoren den Blocksatz lieben. Auf der anderen Seite hegen wir bisweilen den Verdacht, dass diese Vorliebe ebenfalls Teil der (von uns skeptisch betrachteten) Tendenz ist, beim Schreiben eine Annäherung an das gedruckte Resultat anzustreben. Denn grundsätzlich ist der Blocksatz weniger zur Bearbeitung als zur Darstellung von Texten gedacht. Für Autoren sinnvoller und auch üblicher ist daher eine linksbündige Formatierung, zumal die variablen Wortabstände im Blocksatz dazu führen, dass man Fehler leichter überliest.
Abbildungen. Auch die Gründe, warum manche Autoren nicht nur Tabellen, sondern auch Grafiken in ihre Manuskripte einbetten, können wir nicht gut nachvollziehen. Wir gehen davon aus, dass dies der Arbeitsweise mancher Autoren tatsächlich entgegenkommt. Grundsätzlich jedoch lautet die Vorgabe der meisten Journale seit jeher, dass Grafiken und Tabellen auf keinen Fall an den passenden Stellen im Fließtext eingefügt werden sollen. Tabellen sollten sich normalerweise am Ende des Manuskripts finden. Dies ist insofern logisch, als Tabellen als integraler Bestandteil des Textes aufzufassen sind. Dasselbe gilt auch noch für die Bildunterschriften (Legenden). Nicht mehr gilt es für die Abbildungen selbst, die traditionell in Form von Abzügen eingereicht wurden. Heute wird man eher eine separate Datei für diesen Zweck verwenden.
Formatvorlagen. Je öfter wir an Manuskripten arbeiten, umso mehr zahlt es sich aus, dass wir den Umgang mit Dokumentvorlagen und Formatvorlagen erlernen. Einschlägige Literatur zu diesen Themen ist problemlos in fast jeder Buchhandlung erhältlich (die Hilfefunktion von Microsoft Word ist für solche Zwecke weniger zu empfehlen). Unsere Erfahrung zeigt, dass nur eine verschwindende Minderheit aller Autoren ihre Textdokumente wirklich im Griff hat. Dabei ist sauberes Formatieren viel einfacher als sauberes Formulieren. Häufig wächst erst im Umgang mit Dokument- und Formatvorlagen die Erkenntnis, dass Microsoft Word nicht nur unberechenbar und schwerfällig ist, sondern auch sehr elegante Lösungen ermöglicht. »Formatierleichen« zu produzieren ist also kein Schicksal.
© 2009-07-14 Wilfried Preinfalk. Alle Rechte vorbehalten.